Nachdem ich in den vergangenen Monaten wieder mal einige Seminare beim BLV besucht habe, kamen mir Zweifel über meine Kenntnisse zum Verhalten unserer geliebten Hunde. Referentin Christiane Ostermeier berichtete über ein leider seit Jahren verschüttetes Hundewissen, den sogenannten Rudelstellungen. Zunächst hörte sich das für mich als langjährige Hundehalterin alles reichlich abstrakt an. Im Laufe einiger praktischer Anschauungen an fremden Hunden wurde ich immer neugieriger. Sollte es tatsächlich bei Hunden eine derartige hereditäre Prädisposition eines lebenslänglichen Verhaltens aufgrund dieser Stellungen geben? Reichlich fragwürdig. Und doch schien etwa daran zu sein. Ein Grund also, sich näher damit zu beschäftigen. So stöberte ich erst einmal auf der Internet-Seite von Barbara Ertel, die dieses spezielle Hundewissen in unsere heutige Zeit hinüber gerettet hat.
Um weiter einzutauchen in die Rudelstellungs-Materie, erwarb ich das Buch „Der Verständigungsschlüssel zum Hund“, in dem Barbara Ertel die sieben Geburtsstellungen der Hunde beschreibt und veranschaulicht. Nachdem ich alles gründlich durchgelesen hatte, musste ich Klarheit über die Stellung meiner Hunde haben und besuchte mit meiner ganzen Meute, Gasthund Balu eingeschlossen, am 27. April 2013 einen Rudelstellungs-Workshop in Kemmern. Schnell konnte Barbara Ertel die Stellungen meiner Hunde identifizieren und dies in der Begegnung mit anderen, uns fremden Hunden klar herausarbeiten. Meinem Mann Peter und mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Eigentlich wäre die Struktur unseres Rudels ganz in Ordnung gewesen, wenn wir nicht falsch agiert hätten.
Ursprünglich waren da Ira, die Mutter und Iaron, der Vater von Afri. Iaron ist als NLH, Afri als N2 identifiziert worden. Ira lebt leider nicht mehr. Aus heutiger Sicht vermute ich aber, dass es sich um eine MBH handelte, was ich aus der sehr gleichmäßigen Reihenfolge unserer Spaziergänge abgeleitet habe:
1. Ira (†, nicht identifiziert)
2. Afri (N2)
3. ich selbst
4. Iaron (NHL).
Lediglich wenn ich eine menschliche Begleitung bei mir hatte, separierten sich die Tiere von mir, wobei die Reihenfolge der Hunde untereinander die gleiche war, der Abstand zwischen Afri (N2) und Iaron (NLH) sich aber deutlich vergrößerte, also vermutlich ein imaginärer N3 an meiner Stelle mitlief. Barbara möge mir verzeihen, wenn ich da wieder etwas missdeutet habe. Jedenfalls werden so die heutigen Merkmale innerhalb meines Rudels schlüssig.
Meine N2 Afri wird als gebeamt betrachtet, also ein Hund der versucht, eine andere Stellung einzunehmen, in diesem Fall wohl die Stellung der inzwischen verstorbenen MBH Ira. Das fiel natürlich niemandem auf, auch nicht als die kleine Rani zu uns ins Haus kam, die von Barbara Ertel inzwischen als stellungsschwache MBH identifiziert wurde. Rani hatte sich aber nicht nur gegen die gebeamte N2 Afri zu positionieren, sondern auch gegen uns, die wir stets fälschlich die N2 und den NLH vorzogen. Die Arme musste völlig gegen ihre Stellung als letzte durch die Tür, ins Auto, ans Futter, zum Leckerli und so fort. Anstatt standesgemäß an erster Stelle, wurde sie stets als letzte abgefertigt. Welch einen Frust musste mein Mädchen erleiden. Und, als sei das nicht genug, setzte ich dem ganzen noch die Krone auf, indem ich ihren Vollbruder Balu regelmäßig bei uns aufnahm, den Barbara aber leider auch als MBH identifizierte. Nach Barbaras Vermutung wurde Rani bereits durch den Doppelbesatz in der Wurfkiste von ihrem Bruder gemobbt und musste ihn nun erneut ertragen. Kein Wunder, dass MBH Rani sich zurückzog und immer unsicherer wurde, sobald MBH Balu auftauchte. Ich kann mich gar nicht genug bei Rani entschuldigen. N2 Afri und NLH Iaron hingegen hatten keine Probleme mit dem Gasthund.
Nach dem Workshop und den Erklärungen von Barbara und all ihren Helfern, die bei mir ein Licht aufgehen ließen, wurden einige Änderungen eingeführt; man könnte fast sagen, die Hausordnung wurde neu geschrieben. Zunächst wurden auf Anraten von Barbara mal alle Termine zur Beherbergung und Pflege von MBH Balu gecancelt, sehr zum Leidwesen seines reiselustigen Frauchens. Auch andere Hundebesuche wurden bis auf weiteres storniert bzw. zurückgestellt. Darüber hinaus wurde die Empfehlung einer strikten Klausur eingehalten, so dass die Hunde sich nur im umzäunten Garten-Areal und im Haus aufhalten, um zunächst die MBH Rani im gewohnten Terrain zu stärken. Lediglich kleine Ausflüge von MBH Rani und mir bis zur Mülltonne vor dem Haus und zurück stehen auf der Tagesordnung, sozusagen als kleines Privileg für die MBH.
Natürlich wurde die Reihenfolge der Beachtung geändert, so wird MBH Rani als erste, NLH Iaron als zweiter und N2 Afri als dritte gefüttert, mit Leckerlies belohnt usw. In der gleichen Reihenfolge darf das Haus verlassen werden. Auch bei der Begrüßung, wenn wir Menschen heim kommen, wird diese Ordnung eingehalten. Anfangs habe ich MBH Rani beim Bewerten und fixieren von N2 Afri unterstützt, indem ich mich neben sie gestellt und in die gleiche Richtung geblickt habe, bis N2 Afri sich uns näherte. Inzwischen wurden die Fixierzeiten deutlich kürzer, N2 Afri kommt viel schneller wieder zur MBH Rani zurück.
Eigentlich klappt es ganz gut, mit einigen Ausnahmen, in denen ich abgelenkt wieder in die alten Muster verfalle. Dann schaut mich Rani vorwurfsvoll an und erinnert mich an die neue Hausordnung. Wenn ich mich dann entschuldige, kommt sie und zeigt mit einer versöhnlichen Geste, dass sie weiß, wie vergesslich ich bin.
N2 Afri hat auch einiges verstanden, denn beim Fressen stellt sie sich freiwillig hinten an, genau wissend, dass sie noch nicht an der Reihe ist. Gleichwohl hat sie sich bisher noch nicht bereit erklärt, mit Rani zu arbeiten. Auch muss sie immer wieder von Rani ermahnt werden, nicht vor ihr zu laufen oder vor ihr das Haus zu verlassen. Insgesamt ist es aber schon wesentlich ruhiger als vorher und ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Zeit Struktur ins Rudel bringen. Schließlich kann ich von den Hunden nicht erwarten, dass sie in zwei Wochen heilen, was ich in zwei Jahren verbaselt habe.
Ein interessanter Aspekt ist noch folgender:
MBH Rani wollte früher nicht so recht läufig werden. Um genau zu sein, hat sie in 2 Jahren nur einmal einige Tage kurz geblutet, kam aber nicht zum Stehen. Ich dachte immer, dass sei der älteren und dominanteren Hündin geschuldet, wie ich es aus der Vergangenheit kannte und man es häufig von Haltern zweier Hündinnen hört. Offenbar lag es aber an ihrer Stellungsschwäche und ihrer nicht erkannten MBH-Position in unserem Rudel. Inzwischen erlaubt sie sich die Läufigkeit und sogar ihre Stehtage. Das gibt Anlass zu Hoffen.
Ich werde den Mai noch dahinziehen lassen, an mir arbeiten und entweder Ende des Monats oder Ende Juni wieder zum Workshop erscheinen, um vor Ort zu berichten und zu zeigen, was sich bei uns getan hat. Bis dahin staune ich jeden Tag immer wieder auf’s Neue…
Allen, die uns beim Workshop so herzlich aufgenommen haben und uns mit Rat, Tat und jeder Menge neuer, interessanter Eindrücke versorgten, an dieser Stelle mal unseren allerherzlichsten Dank für die völlig neue Sichtweise auf unsere
Hovawart-Meute vom Talrast-Gut.
In der Zwischenzeit werde ich mich regelmäßig hier im Forum einfinden, um über das Wissen um die Geburtsstellungen unserer Hunde so viel wie möglich zu lernen.
Liebe Grüße
Klaudia mit
MBH Rani (stellungsschwach) Hovawart
N2 Afri (gebeamt) Hovawart
NLH Iaron (stellungssicher, in Rente) Hovawart
Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken (Arthur Schopenhauer).