Was genau bedeutet: der Doppelbesatz hat sich arrangiert?

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Was genau bedeutet: der Doppelbesatz hat sich arrangiert?

11 Jahre 8 Monate her
#110234
Die Problematik des Doppelbesatzes wurde ja schon mehrfach genau erklärt.
Man kann darüber z.B. hier nachlesen (etwas nach unten rollen):

www.rudelstellungen.eu/topinfo?showall=0&start=1


Der Doppelbesatz "arrangiert" sich nach einiger Zeit des Zusammenleben-müssens miteinander.
was genau heißt das?

Zwei stellungsgleiche Hunde, also z.B. V3-V3 oder N2-N2 u.s.w.
werden vom Halter zusammen in einem Haushalt gehalten; sie müssen gezwungenermaßen zusammen leben und miteinander irgendwie auskommen,
meist ihr Leben lang.
Die beiden Hunde haben keine Wahl, denn sie können ja nicht einfach den Haushalt wechseln, abwandern, eine andere Hundegruppe suchen.
Sie MÜSSEN jeden Tag mit dem stellungsgleichen Hund zusammen leben.

Anfangs wehren sich Hunde dagegen.
Vor allem erlebt man das bei schon erwachsenen Hunden bzw. schon älteren Junghunden.
(Bei Welpenaufnahme bzw. bei schon sehr alten Hunden zeigt sich anfangs der Doppelbesatz anders, darauf gehe ich später auch ein.)

Nach einiger Zeit bemerken die Hunde, daß alles wehren keinen Sinn hat.
Sie bemerken, daß sie trotzdem vom Halter zusammen in einer Wohnung bzw. in einem Haus gehalten werden,
daß sie trotzdem zusammen spazieren müssen, daß sie trotzdem zusammen gefüttert werden.
Besonders pervers ist hierbei die Fütterung aus einem Napf, das ist für stellungsgleiche Hunde ein doppelter Horror.

Das wissen wir alle: Hunde sind extrem anpassungsfähig.
in diesem Fall muss man sagen: leider.

Die Hunde beginnen nun, ein "Arrangement" zu erarbeiten, wie sie möglichst unbeschadet durch dieses Leben im Doppelbesatz kommen.

Manche Hunde ignorieren sich und gehen sich aus dem Weg, wenn das Wohnareal das zulässt.
Manche beginnen und tauschen vermehrt Sozialgesten aus, manchmal so sehr, daß es schon völlig übertrieben wirkt.
Oft ist es so, daß einer der Hunde die "Oberhand" im Doppelbesatz hat,
er unterdrückt den anderen stellungsgleichen Hund. Dazu muss der überlegene Hund permanent Druck ausüben auf den unterlegenen Hund, um diesen kleinzuhalten.
Hört der überlegene Hund auf, Druck zu machen, könnte sich die Situation umdrehen,
und der unterlegene Hund könnte diese "Schwäche" für sich ausnutzen, und selber den anderen Hund unterdrücken.

Für den Menschen ist dieser permanente Druck und die permanente andauernde Anspannung zwischen den Hunden so gut wie nie sichtbar -

und das schreibe ich jetzt in vollster Überzeugung.
Denn wie oft wird bei einem Rudelstellungs-Workshop (RS-WS)
ein Doppelbesatz vorgestellt,
und die Halter sind davon überzeugt, daß alles reinste Wonne ist zwischen den Hunden.

Erst, wenn man gelernt hat, Doppelbesatz zu erkennen an den vielen kleinen Zeichen, den subtilen Ausdrucksmöglichkeiten der Hunde,
dann sieht man mehr und mehr das Leid, das Doppelbesatz für die Hunde bedeutet.
Es dauert einige Zeit, bis man die Stellungen der Hunde sehen und erkennen kann, das kann kein Mensch einfach so von heut auf morgen.


Sonderfälle des "Doppelbesatz-Arrangements":

Aufnahme eines stellungsgleichen Welpens zum schon vorhandenen Hund:

Es liegt bestimmt für jeden auf der Hand:
nehme ich einen Welpen im Alter von ein paar Wochen zu einem schon erwachsenen stellungsgleichen Hund auf,
dann hat dieser Welpe gegen den erwachsenen Hund keine Chance.
er wird ab der ersten Sekunde, die er eingezogen ist, unterdrückt.
Dieser Welpe wird sie niemals zu einem ausgeglichenen selbstsicheren Hund entwickeln können, er wird durch übertriebenes Beschwichtigen den erwachsenen Hund bei Laune halten,
er wird unsicher und verloren sein.
"Lustiges Spielen" zwischen dem erwachsenen Ersthund und dem Welpen bedeutet todernster Kampf für den Welpen, aber auch für den schon erwachsenen Ersthund.

Denn mal angenommen, der Ersthund ist ein kleiner Hund, und der Welpe ist eine große Rasse,
dann wird mit zunehmender körperlicher Überlegenheit, der Welpe, dann schon Junghund bzw. auch irgendwann erwachsener Hund,
dem Ersthund alles heimzahlen,
er wird die Situation herumdrehen und dann selber dominieren.


Aufnahme eines stellungsgleichen Hundes zu einem Althund:
Angenommen, der Ersthund ist schon in einem Seniorenalter.
Nicht selten nehmen dann Hundhalter einen Welpen neu dazu, der Althund soll den Welpen "anlernen" und dann, bei Tod des Ersthundes, ist der Welpe dann da und man steht nicht ohne Hund da.

Anlernen findet bei Doppelbesatz ganz kurz statt, wenn der Welpe wirklich noch Welpe ist,
also nur ein paar Wochen Alter hat.
Mit spätestens!!! etwa 3 bis 4 Monaten ist damit Schluß.
Ab da wird der Althund beginnen, den Welpen kleinzuhalten und zu unterdrücken.

Man stelle sich vor: ein Althund , vielleicht schon arthrosegeplagt oder mit anderen kleinen oder größeren Altersschwächen,
muss nun also permanent Druck mental aufbauen, um sich den Junghund vom Hals zu halten.
Er darf nicht seinen wohlverdienten Lebensabend geniessen, entspannt herumliegen oder ruhig spazieren,
nein,
er muss sich ständig zusammenreißen,
darf - mit zunehmendem Erwachsenenalter des Junghundes immer mehr! -
niemals Schwächen zeigen, er darf nicht Arthrose-Humpeln oder einfach mal liegenbleiben einen Tag lang.
er muss dem Junghund Vitalität vorgaukeln, jeden Tag, jede Sekunde.
Denn der Junghund wartet nur auf eine Schwäche des Ersthundes,
und dann wird er die Situation herumdrehen.


Aufnahme eines stellungsgleichen Althundes zum jüngeren Ersthund.

Manchmal passiert es, daß Halter einen schon alten Seniorenhund zu ihrem Ersthund dazu aufnehmen, um dem Senior noch einen schönen Lebensabend zu ermöglichen.
Ist aber dieser Seniorhund nun stellungsgleich zum jüngeren Ersthund,
so kommt dieser Senior in den größten Stress:
er ist neu im Haushalt des vitaleren Ersthundes,
der vitale Ersthund wird alles versuchen, den Senior "rauszuekeln",
und vom schönen geruhsamen Lebensabend kann hier niemals die Rede sein.
Der Ersthund gerät in großen Stress,
der Senior mus vielleicht sogar um sein Leben fürchten, je nach Stellung des Doppelbesatzes.
"Geht in die Wälder und werdet wieder Menschen."
Jean Jacques Rousseau


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