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Thema: Wenn sich der Leithund verabschiedet
Quelle:    Rudelstellungen.de
Datum:    04.03.2012 - 04.04.2012


Dreamcatcher
Wenn sich der Leithund verabschiedet steht man als Mensch fassungslos und hilflos einem Chaos gegenüber.
Die Erfahrung konnte ich machen, als Rammar circa ein Jahr alt war und gestern trat sie nach langer, problemloser Zeit plötzlich wieder auf. Beim Spaziergang auf der Hundewiese.

Gestern war ich durch ein befreundetes Pärchen und ihre Hündin abgelenkt (Fotos schießen, quatschen), und ich konnte nicht, wie gewöhnlich, auf Rammars Gesten eingehen. Er probierte zwei mal mich zur Arbeit aufzufordern, mit der anwesenden Hündin und dann brach plötzlich das Chaos los. Mein Rüde verabschiedete sich von mir.
Lautlos verschwand er und war weg.

Einfach weg.

Er war zu anderen Hunden gerannt mit denen er umher spielte, belästigte eine Hündin? und ließ sich nicht abrufen.
Erst als ich mir die Seele aus dem Leib brüllte, bewegte sich der Herr langsam in meine Richtung, zeigte mir aber konstant die Mittelkralle und kam erst über Umwegen bei uns an.
Die nächsten Hundebegegnungen waren wieder eine einzige Katastrophe. Mein Rüde wollte sich um alles kümmern und jeden Hund abchecken. Gemeinsame Mitarbeit - Fehlanzeige.

Jeder fremde Hund war für ihn wichtig (egal, wie weit dieser weg war) und wir beide waren total überdreht. Ich wegen Rammars Reaktion und Rammar wegen meiner Reaktion und den vielen anderen Hunden.
Keine gute Grundlage. Letztendlich bekam Rammar von mir gestern Leinenzwang. Soviel geflucht und gemeckert, wie gestern, habe ich lange nicht mehr.

Heute, beim Waldspaziergang, war wieder alles in Butter.
Mit seinem absolut tollen, vorbildlichen Verhalten heute zu dem von gestern, das kann man absolut nicht miteinander vergleichen. Da liegen Welten zwischen.
Es ist krass, wie schnell ein Eckhund Defizite beim Halter erkennt und ihm diese vor Augen führt.

Dreamcatcher
Zitat von Angelika:
"Ach Du Arme! Eckhunde sind wohl manchmal so. Ich könnte meine NLH gerade auf den Mond schießen. Prinzessin auf der Erbse, das passt. Jedes "Vergehen" wird mir nachgetragen und sie schließt dann nicht mehr auf.
Warte ich, dann kommt sie genüsslich langsam, aufreizend langsam. Ich hab mach mal so einen Hals.
Ich bin nicht immer gut genug gleichzeitig aufmerksamer MBH und verantwortungsvoller N3 zu sein. Aber alles muss man mir doch auch nicht nachtragen."
Ja, es ist manchmal nicht einfach. Zum Glück fülle ich für meinen Rüden nur eine Stellung aus und muss nicht an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen. Aber es ist schon krass, wie schnell sich dieser Hund verabschiedet, wenn seine Kommunikationsversuche ins Leere laufen (wenn man beispielsweise abgelenkt ist).
Heute hatte ich wieder einen Vorzeige Hund. Aber wehe, ich bin nicht aufmerksam bei der Sache.

Dreamcatcher
Zitat von kage:
"Aber Deine Beschreibungen zeigen doch deutlich was ich immer versuche Euch verständlich zu machen.
Arbeitet richtig vernünftig über die Stellung mit Euren Hunden und ihr beide seit ausgelastet.
Alle anderen Beschäftigungen, Freesbe-Scheibe werfen, Agility und was es sonst so gibt sind Dumpfbackenbeschäftigungen für stellungsstarke Hunde. Das ist was für infantile Hunde, die nichts mehr wissen.
Aber beide, Hund und Mensch, sind nach einer Stunde in Stellung laufen fix und alle.
Kann ich gerade bestätigen. Habe zwei aus der Stellung nicht mehr richtig agierende Hunde und ich arbeite mich gerade als 2NBH total ab.
Bin ich nicht bei beiden Hunden, bricht das Erreichte aus dem Vortag wieder zusammen, und beide gehen wieder in ihren Automatismus."
Ja Barb, der Vorfall gestern hat mir auch wieder vor Augen geführt, wie wichtig es ist, mit allen Sinnen dabei zu sein.
Hat man mal einen schlechten Tag und ist mit sich nicht ganz auf der Höhe, fühlt sich nicht gut bzw durch etwas abgelenkt, kann ich nur jeden den Rat geben, den Hund an der Leine zu lassen bzw den Hund erst gar nicht mitzunehmen. Es bringt einfach nichts und dem Tier tut man nichts gutes damit.
Heute haben wir vernünftig miteinander gearbeitet. Nach circa 1,5 Stunden konzentrierten Arbeiten bemerkte ich, dass Rammar seinen Radius vergrößerte und da wurde mir bewusst, dass ich dabei war, vom Kopf her, zu ermüden.
Das strengt wirklich an.
Und es gehört viel Disziplin dazu, in Stellung zu laufen.
Rammar ging es ähnlich. Als wir zu Hause ankamen, legte er sich dort ab, wo er gerade stand und war für die nächsten Stunden nicht ansprechbar.
Und hier sehe ich einen gewaltigen Unterschied zur herkömmlichen Auslastung, die es auf den "Hundemarkt" gibt.
Egal ob das Dummytraining war, Fährtenarbeit, Unterordnung...oder Zughundesport...das sind Dinge, die haben Rammar nicht so viel abverlangt, wie das "in Stellung laufen".

Steinchen
So schlechte Tage gibt es bei uns auch mal. Gestern war übrigens so ein Tag.
Da hat es gereicht, das ich stinke sauer war, weil ich Istar sein Schreien im Auto einfach nicht mehr ausgehalten habe.
Der anschließende Spaziergang durch den Stadtpark mit vielen Begegnungen wurden für mich zu Spießrutenlauf vom feinsten.
Zu Hause angekommen hat er mir noch mal klar gemacht, wer er eigentlich ist.
Am Nachmittag war unsere Welt dann wieder in Ordnung.

User 13
Zitat von Steinchen:
"So schlechte Tage gibt es bei uns auch mal. Gestern war übrigens so ein Tag.
Da hat es gereicht, das ich stinke sauer war, weil ich Istar sein Schreien im Auto einfach nicht mehr ausgehalten habe.
Der anschließende Spaziergang durch den Stadtpark mit vielen Begegnungen wurden für mich zu Spießrutenlauf vom feinsten.
Zu Hause angekommen hat er mir noch mal klar gemacht, wer er eigentlich ist.
Am Nachmittag war unsere Welt dann wieder in Ordnung."
fragt, was so ermüdend ist an einem Stellungslauf.

User 1
strengt das Stellungslaufen auch an. Die mentale Verbindung aufrecht zu erhalten, ohne ab zu schweifen, ist anstrengend. Besonders wenn Mensch und Hund noch im Verständigungsaufbau sind.

Steinchen
Zitat User 13:
"fragt, was so ermüdend ist an einem Stellungslauf."
Dann würde ich gerne mal mit dir tauschen.
Ich bin noch am lernen, was mein MB von mir erwartet und er ist am lernen, wie man durch die Menschenwelt geht.
Am Anfang hat Istar versucht von früh bis spät den Tagesablauf zu bestimmen. Und dabei kann er sehr hartnäckig sein.
Wenn ich die Strecke vorgebe und sie gefällt ihm nicht, macht er das sehr deutlich, in dem er sich auf den Rücken schmeißt und schreit.
Es war schon ein Problem mit Istar an der Straße zu warten bis sie frei ist. Er hat sich mit seinem vollen Gewicht an der Leine geruckt, weil er der Meinung war gehen zu müssen. Hat das Warten zu lange gedauert, wurde ich korrigiert, das alle Menschen stehen blieben.
Das war der Anfang des Spazierganges. So ging es dann aber auch weiter.
Dazu kommt der Spagat zwischen MB und N3.


User 13
ist klar das Steinchen  ein ganz anderes Kaliber hat.
Ihre Hütehunde sind ganz anders aufgewachsen und die Kooperationseigenschaft ein großer Vorteil.
Mental ist sie auch mit ihren Hunden verbunden und konnte noch nicht feststellen, das bei Ablenkung dies nicht mehr der Fall wäre, was allerdings selten vor kommt.

Zerafina
@User 13
Bei mir ist es eher ein zwischen drin, da ich ein permanent aufmerksamer N3 für meinen Hund sein muss.
Allerdings sind unsere Spaziergänge trotzdem entspannt, weil mein Hund nie etwas "Verbotenes" oder Anstrengendes tut.
Bei dir ist es, wenn ich es richtig sehe so, dass du gar keine echte "Aufgabe" hast, außer die Kleine VLH zu unterstützen.
Du musst nicht wie wir anderen eine "Krücke" sein, eine Hundeposition einnehmen, die du nur unzulänglich ausfüllen kannst.
Was soll denn da fehlen bei dir?


kage
Steinchen hat es am schwersten von Euch allen. Ihr fehlen einfach zu viele Stellungen zwischen den Hunden.
VLH-N2 haben es einfach - weil VLH ein stellungsstarker sich separierter VLH Welpe ist, da kann man entspannen.
Wenn sie die Knutschkugel nicht so viel knutscht und klar sich positioniert wird das auch etwas.

kristinmitpodi
Für mich ist es anstrengend, weil die N 3 sich dann gern nach vorn verabschiedet. Lasse ich das zu, fällt die N 2 zurück. Dann macht die eine vorn was sie will, die andere hinten, und ich fühle mich auseinander gezogen.
Daher ist meine Aufmerksamkeit permanent bei der N 3, wobei ich nicht dauernd auf sie schaue, aber immer weiß, wo sie ist, ob sie gedanklich noch da ist oder sich schon wieder verabschiedet. Die N 2 darf ja dabei auch nicht zu kurz kommen. Meine Hunde beobachten und korrigieren sich nicht gegenseitig, alles muss von mir kommen.
Also switche ich zwischen NLH und MBH her, so wie es gerade passt.
Es ergeben sich dabei auch entspannte Phasen, in denen alles von allein richtig läuft.

User 13
merkt an, dass ihre Hunde gut zusammen passen und sich ergänzen.


kage
Die beiden haben sich auch den ganzen Tag etwas zu sagen und jede Sekunde ist Arbeit pur - auch wenn sie nur daliegen.
Deswegen ist es ja so schade, wenn Stellungen fehlen, die Hunde haben einfach keinen positiven Kommunikationsweg der sich sowohl positiv weiterentwickelt und auch auslastet.

Dreamcatcher
Zitat User 13:
"fragt, was so ermüdend ist an einem Stellungslauf."
Ich denke es hat damit zu tun (ich kann jetzt nur in meinem Fall sprechen), dass ich fast 3 Jahre absolut betriebsblind war. Ich bin stur durch die Landschaft gewatschelt und habe darauf gehofft, dass mein Hund mir hinterher kommt.
Dinge, wie seinen Hund zu beobachten und mit ihm so zu kommunizieren wie ich es jetzt mache, das gab es in dieser Zeit nicht und meine Sinne sind ganz schön verkümmert und der Geist "eingerostet".
Da man erst mal wieder seinen Geist schulen muß und nichts verpassen möchte, strengt das an.
Man saugt alles an Kommunikation wie ein Schwamm auf und versucht so gut es geht, den fehlenden Hund (was natürlich unmöglich ist) im Rudel zu ersetzen.
Man bemerkt kleinste Gesten, die ausgeprägte Mimik des Hundes und Aktionen, die man früher übersehen hat, erfreut sich daran und probiert sich ebenfalls mitzuteilen.
Es ist als wenn man laufen lernt.

Angelika
Dreamcatcher, ich hab mal so über früher nachgedacht. Ben und ich waren eine ganze Zeit Ute Blaschke-Berthold, 2x die Woche ca. zwei Stunden. Dort ist Ben immer mit anderen Hunden gelaufen.
Ich dachte immer, das ist die Gewohnheit der "Hundeschule", wenn Ben dort immer sehr unproblematisch war und zuhause verhielt er sich mit anderen Hunden viel problematischer.
Jetzt ist mir der Zusammenhang klarer - Ute hatte eine Ridgback-Hündin in Ben´s Alter. Die beiden waren immer zusammen und liefen der Gruppe voraus. Ich hab damals mal gesagt, ich brauch ja keinen Hund, wenn der immer nur weg ist . Jetzt ist mir klar, Ashanti war seine V2 und dadurch, dass sie häufig lange zusammen gelaufen sind, ein richtig gut eingespieltes Team. Da sind mir noch Geschichten eingefallen. Manchmal war das ganze Rudel Ridgebacks da, ungefähr sechs Hunde. Dann stand Ben immer ganz am Rande und lauerte auf die Gelegenheit seine V2 da raus zu holen, was ihm auch gelang. Das war filmreif!!!
Die beiden waren ein Dreamteam, leider haben wir für Ben nie wieder eine Hündin gefunden, die er so akzeptiert hat.
Und Ute schrieb vor ein paar Tagen, dass sie sich auch noch gut erinnert, Ashanti wäre sehr wählerisch gewesen, das mit Ben war wirklich etwas besonderes.
Das wäre bestimmt für Euch super entlastend mit der V2 Pflegehündin. Hoffentlich spielt Dein Vermieter mit. Ich wünsche es Euch.

User 13
Zitat von Dreamcatcher:
"Da man erst mal wieder seinen Geist schulen muß und nichts verpassen möchte, strengt das an.
Man saugt alles an Kommunikation wie ein Schwamm auf und versucht so gut es geht, den fehlenden Hund (was natürlich unmöglich ist) im Rudel zu ersetzen.
Man bemerkt kleinste Gesten, die ausgeprägte Mimik des Hundes und Aktionen, die man früher übersehen hat, erfreut sich daran und probiert sich ebenfalls mitzuteilen.
Es ist als wenn man laufen lernt."
merkt an, dass das Laufen bei Dreamcater doch schon sehr gut klappt. und erwähnt, das ihr alter Hund in allen Jahren ihr beigebracht hat, das man hellwach auf den Spaziergängen sein muss. Somit wird es irgendwann Routine.

User 23
"Zitat von Steinchen:
Zu Hause angekommen hat er mir noch mal klar gemacht, wer er eigentlich ist."
bittet um Erklärung.


Steinchen
lang ist es her.
Diese Tage streiche ich immer schnell aus meinem Gedächtnis und zum Glück werde sie auch immer seltener.
Istar benahm sich wie die Axt im Walde, es gibt kein Miteinader nur ein Gegeneinader. Alle schlechten Verhaltensweisen, die heute fast der Vergangenheit angehören, kommen dann wieder zum Vorschein.
Er randaliert, stiehlt und zerstört alles was er greifen kann, spielt Haschen mit mir, wie ein bockiges trotziges Kind. Er lässt dann auch nicht mit sich reden und hat immer Widerworte und das allerletzte Wort. Die Widerworte sind sehr lautstark und schrill.
Das kann man schlecht beschreiben, man muss es erleben um es nachvollziehen zu können.