So, ich brauchte ein bißchen Zeit zum Nachdenken. Und obwohl ich ganz begeistert eingestiegen bin in das Thema RS, merke ich, daß es einige Empfehlungen gibt, die für mich und meinen Hotzenplotz schlichtweg nicht passen und gegen die Erfahrung der letzten 4 Jahre mit meinem Räuber sprechen. Grundsätzlich finde ich es klasse, wieviele HH hier sich Gedanken machen in dem Bemühen, das Miteinander mit ihrem Hund bewußt zu verbessern und zu schauen, was ihrem Vierbeiner guttut und nicht in erster Linie, was für sie selbst paßt und bequem ist. Daher muß mein Beitrag hier keiner in den falschen Hals kriegen, ich erklär hier nur
mein Motiv hier auszusteigen. Und gut ist.
Ich fand aufschlußreich, daß hier im Forum praktisch erzählt wird, wie RS gelebt werden soll, denn das geht aus dem Buch nicht hervor. Aber dadurch kann ich auch erst, nachdem ich hier mehr gelesen habe sagen, mein Gefühl zu manchen Themen, ist ein anderes.
Grundlegend.
Beispiel -das Entschleunigen...- das mag man leben, wenn man mit seinem Hund allein lebt oder in Rente geht, aber unmöglich, wenn Kinder mit im Haus leben. Wie soll das aussehen, den Hund nicht durch Reizüberflutung zu stressen? Ich lebe nicht auf einer Finca mit zig Hekta Land, die Caspar in Ruhe beschreiten und beschnuppern darf, ich hole mittags – mit Vierbeiner- meinen Sohn an der Schule ab und das ist nur eines von vielen Beispielen. Es ist Streß für die Hunde, wenn 100 Grundschulkinder gleichzeitig die Treppe runterstürmen..., es ist Streß, gemeinsam auf einem Kinderspielplatz zu sein mit hüpfenden , rennenden Kindern, die laut und fröhlich sind. Keine Frage. So ist das Leben und es ist mir dennoch nie in den Sinn gekommen, Caspar nicht mitzunehmen...ihn im Auto zu lassen...oder gleich zu Hause... Im Gegenteil, Situationen, die wuselig sind, habe ich immer als Anlaß genommen, Abschalttraining zu machen und sie parallel mit den Hunden zu bespielen, damit die das als was Positives abspeichern. Es wird erst ein ausgedehnter Spaziergang in Wald und Wiese gemacht und dann...z.B. der Zoo besucht, oder ein anderer Rummel. Dann gibt es in den Situationen etwas besonders Feines zu knabbern, damit es mit etwas Angenehmen verknüpft wird trotz unruhigem Umfeld. Caspar hat nur dann Streß, wenn er nicht mitdarf, er außen vor bleiben soll. Und das habe ich von klein auf mit diesem extrem reizempfindlichen Hund gemacht, der in ganz vielen Situationen heute souverän ist, sich sicher zeigt, cool bleibt, obwohl er schlecht geprägt war durch mangelnde Sozialisation. Es entspricht nicht der Realität, daß Welpen nachher nur unter ihresgleichen „arbeiten“ dürfen – sie treffen auf viele Umweltreize mit ihren Menschen und wie bitter, wenn sie die nicht kennenlernen können, weil sie ungestört bleiben sollen. Wie sollen die nachher im Aufeinandertreffen mit ihren Menschen und der Umwelt souverän reagieren, wenn sie nichts kennengelernt haben? Halt ich für echt für grenzwertig. Ich bin sicher, die Züchter, von denen wir unseren Großen haben, hatten von RS noch nichts gehört, dennoch genau das gemacht, die Welpen in Ruhe gelassen und fern von Reizen großgezogen. Vielen Dank! Ich durfte das in den ersten 3 Jahren auf die harte Tour nacharbeiten, ich würde nie wieder einen Welpen so fernab im Kuckucksei aufwachsen lassen wollen. Das prallt dann mit der Realität im eigentlichen Sinne aufeinander.
Ich bin später Roller fahrend (ohne Sohn) um Caspar herumgedüst, damit er lernt, nicht aus dem „Jacket“ zu springen, wenn mein Sohn, damals noch klein, um ihn herumdüst. Das muß man üben, damit Hund liegenbleibt und sich nicht aufregt, nicht vermeiden oder den Hund ausklammern. Ich bin vor seiner Nase gerutscht und rumgehüpft, damit er nicht wie von der Tarantel angestochen auf meinen Sohn losbrettert (passiert) und den über den Haufen pflügt (bewußt). Das war ein ziemlich langer Weg und ich habe immer zum Anlaß genommen, Situationen bewußt aufzusuchen, die nicht so entspannt liefen. Und dann habe ich parallel mit Caspar Such- und Apportierspiele gemacht um z.B. seine Aufmerksamkeit weg von den Ball spielenden Kindern auf seine „Jagdspiele“ zu lenken. Caspar durfte immer mit dabei sein, aber eben gerade nicht auf den Ball zischen. Andersherum haben die Kinder ganz klare Grenzen gekriegt, was Tabu bei den Hunden ist, daß ihre Ruhezonen unangetastet bleiben, etc.
Es wurde immer wieder angemerkt, daß „Hund“ diese vom Menschen konzipierten Spielchen nicht braucht, Das ist richtig, wenn man ihn oder sie in Isolation und Ruhe allein spazieren gehen lassen kann, mit dem normalen Alltag hat das aber wenig zu tun. Da erweisen sich die verpönten Spielchen als durchaus nützlich, denn sie ermöglichen dem Hund in einem unruhigen Umfeld mit seiner Aufregung irgendwohin zu können. Es ist ein Ventil, um die Anspannung
wegspielen zu können, den „Dampf“ loszuwerden.Es hilft, wenn es mal hektisch zugeht., man den Hund nicht im luftleeren Raum fernab von anderen Hunden und Menschen entspannen lassen kann.
Ich kann Caspar egal, ob am Bahnhof, im Fischereihafen oder im Zoo mit kleinen Suchspielchen ablenken und er entspannt über das Spielerische, egal, was um ihn herum los ist. Nun wird der ein oder andere sagen, ja, aber dann hat er ja keine Zeit alles um ihn herum zu bewerten. Mag sein, daß das für ein phlegmatischen ruhigen Zeitgenossen so sei, für einen Wirbelwind, der sich sonst aus Aufregung hochschießt, weil er besonders sensibel ist, mag das konstruierte bekannte Spiel ein Segen sein, denn es verhindert, daß die Aufregung hochkocht, das Umfeld wird nicht so wichtig. Er hat etwas Vertrautes, das Sicherheit gibt. Ich habe einen Junghund, der so explosiv war, daß ein Ausbruch garantiert, nur der Zeitpunkt ungewiß war, damit zu einem Miteinander bringen können. Heute ist er total klasse mit meinem Sohn (mittlererweile 7J.) unterwegs, er achtet auf ihn, die Zwei sind ganz vertraut und auch oft ruhig miteinander. Ich habe totales Vertrauen in diesen Haudegen, aber das hat viele kleine Chaossituationen des Lebens gebraucht, damit daß so möglich wurde. Und nie war da ein Abschirmen, Reizreduzieren Teil des Weges. Wir haben versucht, aus Chaossituationen fürs nächste Mal zu lernen, es besser zu machen.
Wenn ich Caspar langsam des Weges schnüffeln lasse...schnüffelt er sich weg und fest, achtet null auf seine Menschen, markiert in einer Tour und selbst der nächste Mensch, der von weitem auftaucht, hat einen neuen Markierstrahl zur Folge...daß das klar ist, das gesamte Territorium hier ist meins..habe hier die Hoheitsrechte...von hier bis Lummerland. Steht ein Auto am Wegesrand, wo sonst keins steht, grollt er, das hat hier nichts zu suchen...in seinem Revier. Vielleicht ist er ein bißchen größenwahnsinnig, auf jeden Fall sehr territorial veranlagt, obwohl kastriert, und es tut ihm defenitiv nicht gut, wenn ich ihm das gemäß „Entschleunigungstheorie“ durchgehen lasse. Er spult sich dann auf und markiert wortwörtlich den großen Max.
Ich werde also weiter auf meinen Bauch vertrauen, seine Aufmerksamkeit mir erarbeiten zu müssen und werde dann die Sternstunden ernten und genießen.... und die Chaosstunden zum Anlaß zu nehmen, beim nächsten Mal eben noch feiner auf xyz zu achten und seine Körpersprache im Blick zu haben und die echten „Jagdausflüge“ nicht zustandekommen zu lassen.
Ich habe uns abgemeldet vom WS, weil ich nicht vorhabe, meinen selbstbewußten Springinsfeld mit -mir- völlig fremden Hunden laufen zu lassen. Das habe ich seit 4 Jahren tunlichst vermieden, Caspar hat Hundekontakte mit mir bekannten Hunden, die paralleles Arbeiten gewohnt sind und respektvoll miteinander sind und ähnliche Strukturen kennen. Ich habe ein ungutes Bauchgefühl, ihn jetzt auf einmal mit völlig fremden Hunden zusammenzulassen, deren Besonderheiten ich überhaupt nicht einschätzen kann. Wie paßt das zu dem Meiden fremder Hundkontakte? Vielleicht hab ich aber auch schon zuviel Casparliches angenommen und verlaß mich gern auf mein eigenes Urteil …. und geh dann eben gucken im Zweifel. Hat Vor- und Nachteile. Wir sind nicht so gut im Folgen wir Zwei...aber im Entdecken...

Ich habe einen tollen, manchmal anstrengenden, aber herrlich authentischen Hund an meine Seite bekommen und ob er nun V2 oder VLH oder XYZ ist, ist mir erstaunlicherweise nach der ersten Aufregung um RS nicht mehr wichtig, die Basis muß stimmen.
In diesem Sinne wünsche ich Allen, die hier Engagement zeigen ein gutes Händchen bei dem Weg zu mehr Nähe mit ihrem Hund und auch den Mut bei sich zu bleiben, wo es nicht paßt.
Tschüß sagen Michaela und Caspar.