Ich klinke mich eigentlich nur sehr ungerne in solche "allgemeinen" Themen ein, bevorzuge das Schreiben von langatmigen Tagebüchern.

Und auch das Lesen von langatmigen Tagebüchern. Ganz einfach, weil es keine Patentrezepte gibt, nein, überhaupt keine Rezepte.
Vor ein paar Minuten kam in meinem Tagebuch die Frage: wie geht es dem Gasthund, wenn er wieder zuhause ist?
Und ich kann sie nicht beantworten. Einfach, weil Frauchen von unserem Gast-N3 einen völlig anderen Blickwinkel auf den Hund hat. Wir schauen völlig unterschiedlich, interpretieren völlig unterschiedlich. Das ist einfach im menschlichen System so angelegt. Das ist schön, das ist individuell und interessant. Allerdings nicht ganz einfach. Wenn wir zwei die gleiche Situation beschreiben und interpretieren, dann denkt man mitunter, es handele sich um zwei völlig verschiedene Hunde ...
In den meisten Videos sehe ich nichts, bzw. ich sehe eine ganze Menge, weiß aber nichts damit anzufangen. Erst wenn ich das Video so um die 20 mal angeschaut habe, beginne ich langsam, etwas zu erkennen. Manchmal auch nicht. Körperspannung, Ohrenhaltung, Wege, Interaktionen.
Das Problem beim Beschreiben eines Ablaufes oder beim Kommentieren eines Videos ist, dass es zwar Abläufe gibt, aber jeder seinen Fokus zunächst auf etwas anderem hat. Und der, der das kommentierte Video anschaut, ist eigentlich aufgerufen, seinen eigenen Fokus erstmal selber zu erkennen, dann den Blickwinkel des anderen einzunehmen, um dann vielleicht tatsächlich etwas "sehen" zu können.
Wie oft habe ich mir Patentrezepte gewünscht für die Lösung eines Problems. Nur um kurz darauf festzustellen: ich habe zwar ganz viele Antworten bekommen - jede aus einem anderen Blickwinkel, jede von einem anderen Individuum, das andere Erfahrungen und eine andere Art zu beobachten hat, als ich. Das war ganz schön frustrierend manchmal.
Denn es waren sehr kluge und differenzierte Antworten. Nur: obwohl sie klug und differenziert waren und ich sehr dankbar dafür war, passten die Antworten nicht wirklich 100% zu meiner Vorgehensweise, zum Wesen meines Hundes, zu meiner Gedankenstruktur. Das kann auch nicht sein, denn ich bin ich und der Herr Hund ist der Herr Hund und wir sind nicht jemand anderes.
Sie waren hilfreich in dem Sinne, dass sie mich dazu brachten, alles noch einmal zu überdenken, aus einem anderen Blickwinkel zu schauen, meinen Hund noch genauer zu beobachten, mich selber übrigens auch und dann, AUS DEN ANREGUNGEN HERAUS EINEN EIGENEN, PASSENDEN WEG ZU FINDEN.
Und das ist es, worum es geht. Innerhalb dieser grandiosen Erkenntnis der Rudelstellungen den eigenen Weg zu finden, mit den Hunden umzugehen. Und dabei ist eine Fibel zum nachschlagen nicht hilfreich. Es ist eine Haltung, eine Fähigkeit, die entwickelt werden will, den Hund und seine Interaktionen mit mir und der Umwelt, sein Wesen aus der Stellung heraus nach und nach immer besser zu begreifen.
Natürlich gibt es ein paar Grundsätzliche Fragen, die beantwortet werden können. Aber es taucht immer mal wieder das Problem auf, dass jemand auf eine Frage die Antwort bekommt: das kann man nicht pauschal beschreiben, du musst es sehen. Und das ist garnicht arrogant gemeint, sondern es ist schlicht die Wahrheit. Etwas, was ich nicht selber erlebt, sondern "nur" gelesen habe, kann bestenfalls Anregung zu weiterer Beobachtung geben. Erleben greift viel tiefer, man hat dadurch erst die Möglichkeit, etwas zu verinnerlichen, sich zu Eigen zu machen. Vorher ist es halt angelesen oder aus einem Video "herausgeschaut".
Aber das ist das ewig gleiche Lied: wer ein Wesen, wer Kommunikation, wer Handlungsmuster und Zusammenhänge wirklich be-GREIFEN, ver-INNERLICHEN will, der wird nicht darum herum kommen, weit über das Lesen und Fragen stellen und "Tips umsetzen" hinauszugehen und sich auf den Weg zu machen, zu beobachten, nachzufühlen, wirklich HINEIN zu gehen.
Dafür sind langatmige Tagebücher als Anfang garnicht schlecht. Denn sie lassen einen einen ganz persönlichen Weg miterleben, eine Entwicklung mit all ihren Höhne, Tiefen und Zweifeln.
Und DANN ist es sehr praktisch, sich gleichzeitig auf einen eigenen Weg zu machen, um eben seine Beobachtung zu schulen, sein Gespür für das großartige Wesen Hund in seinen Lebenszusammenhängen. RS erklärt ganz viel von den Verhaltensweisen der Hunde. Vieles, was sich in meinen Augen sonst überhaupt nicht erklären liesse. Aber es erklärt und verändert NUR, wenn man wenigstens probehalber einmal wirklich HINEINgeht, hineinfühlt, versucht, den eigenen Blickwinkel zu verlassen, andere einzunehmen, dann zum eigenen zurückzukehren und sich ganz klar zu machen, ob sich dabei etwas geändert hat.
Das alles ist ein sehr langwieriger Prozess, der viel inneres Engagement erfordert, auch immer wieder Frust birgt, Aber keiner kann nach dem Lesen eines Buches über Psychologie eine Praxis eröffnen und behaupten, er könne jetzt "therapieren".
Es ist wirklich mühsam (zumindest für mich). Und es lohnt sich absolut. Es ist eine Haltung, die man einnehmen kann, ein tiefes sich Einlassen. Jenseits von allen Oberflächlichen Reparaturversuchen oder auch wirklich guten Ratschlägen, die mitunter sehr hilfreich sein KÖNNEN. Um den EIGENEN Weg mit dem oder den eigenen Hund/en zu finden.