Ich berichte mal von meinem letzten Hund, der mit großer Wahrscheinlichkeit auch ein NLH war, und der mir offenbar, wenn ich hier so lese, vieles beigebracht hat, was mir in Fleisch und Blut übergegangen ist, und wovon mein junger MBH jetzt profitiert.
Vielleicht kannst Du, Scottyfrauchen, Dir da was raus ziehen, und vielleicht können die Erfahrenen RS-ler dazu ihre Kritik anbringen.
Sherlock wuchs mit Kommandos auf. Ich hatte 2,5 Jahre einen funktionierenden Hund, den alle bewunderten. Junger Hovi, schon mit einem Jahr Begleithundeprüfung, mit 2 Jahren Bronzeprüfung, toll toll toll. *kotz*
Ich hatte einen stumpfen Hund neben mir, der halt machte, was ich sagte.
Und dann fand ich Stück für Stück über einen langen Weg von bestimmt 6 Jahren zu einem wundervollen Weg und zur Harmonie im gemeinsamen Tun.
Auslöser war ein Spieleseminar, richtig spielen mit dem Hund. Und die intensive Beobachtung von menschlicher Körpersprache in Bezug auf den Hund. Und hauptsächlich das Beachten der Reaktion meines Hundes auf das, was ich gerne mit ihm gemacht hätte.
Zunächst einmal habe ich mit meinem Hund GAR keine Kommandos mehr verwendet. Ich mag das Wort Kommando bis heute nicht mehr. Werde auch immer total sauer, wenn meine Kunden, noch bevor sie überhaupt überlegt haben, auf welchem Weg sie eine Aufgabe lösen könnten, nach dem WORT fragen, was sie dazu sagen sollen. Mir tun.
Ich glaube, dass ich durch Sherlock dazu gebracht wurde, ganz viel einfach zu zeigen, oder den Hund selbst durch Überlegen und Denken lösen zu lassen. Sherlock hat es fertig gebracht, sich vor einem vollen Wurstteller schlafen zu legen, wenn ich da erwartungsfroh mit dem Clicker stand, und ein Angebot von ihm wollte. Er brauchte für sein Tun einen SINN.
Es ist ein völlig anderer Gesichtsausdruck bei einem Hund, ob er etwas tut und dafür "bezahlt" wird, oder ob er etwas tut, und spürt, wie seine Handlung eine Wertschätzung erfährt, weil sie Sinnvoll war.
Aus meiner Sicht kann das Tun eines Hundes durchaus auch wertvoll und sinnvoll sein, wenn während des Tuns eine enge Verbindung zum Menschen besteht, oder wenn das Ergebnis eine Art "Produkt" ist.
Beispiel Agility: Mein Hund lief grottenmies, wenn ich versucht habe, eine Prüfung zu laufen, wenn jemand nur eine Popelige Stoppuhr mitlaufen ließ, oder wenn wir irgendwo anders waren. Mein Hund lief aber mit großer Motivation, merkte sich haargenau, wann er wieder an der Reihe war (weil er dann plötzlich neben mir stand), wenn er einer Gruppe den Parcours "erklären" durfte. Somit stellte ich jegliche Ambitionen in Punkto Prüfungen, Turniere etc. ein, und fragte ihn (allerdings leider erst in seinen letzten 4 Lebensjahren), ob er mitmachen möchte, oder nicht. Er zeigte sehr deutlich, ob er wollte, oder eben nicht. Es tat mir oft weh, wenn er nicht wollte, aber ich habe gelernt, das zu respektieren.
Beispiel Tricks: Wir machten in einer Zirkusgruppe mit, die auch eine Aufführung zum Ziel hatte. Dort war ein weiterer Hund, der exakt so agierte, wie mein Bär. Auch von ihm vermute ich, dass er ein NLH ist. Sie hatten beide Sinn für Aufgaben, die einen Sinn hatten, und so bekamen beide eine Choreographie, die einen Ablauf hatte, der ein Ergebnis brachte. Bei meinem Hund war das, von einer Wäscheleine kleine Söckchen abzunehmen, die Klammern und die Söckchen in einen Korb zu legen, und diesen dann einer dritten Person auszuhändigen. Bei dem anderen Hund war es, einen Schlüssel zu bringen, mit dem eine Box aufgeschlossen wurde, aus der Fellpflegegegenstände heraus gegeben werden sollten, mit denen der Hund gepflegt wurde, und danach passierte das Ganze wieder Retour und die Box wurde vom Hund getragen.
Alle anderen Tricks und Übungen, die eine reine Reproduktion von Handlungen darstellen, lernte mein Hund, aber er schaute mich total schräg an, wenn ich von ihm verlangt habe, es wieder und wieder zu tun. Es wäre für mich (nachdem ich es endlich kapiert hatte) unmöglich gewesen, etwas, das er gerade aufgehoben und mir ausgehändigt hatte, erneut fallen zu lassen. Welche Respektlosigkeit gegenüber seinem vorherigen Tun. Das wäre in etwa, als würde mein Mann mit dreckigen Stiefeln durch einen soeben von mir gewischten Raum stapfen.
Welchen Stolz sehe ich in den Augen meines jungen MBH, wenn wir gemeinsam entsorgen gehen. Leere Flaschen in den HWR bringen, Smoothie-Flaschen zum gelben Sack, ein eigenes Stück Holz tragen, das dann in den Ofen geschichtet wird, Einkäufe gemeinsam reintragen. Es gibt da sehr viel.
Selbst eine klassischen Unterordnungsarbeit, wenn man sie machen möchte oder muss, kann man zusammen "tanzen". Lang bevor mein MBH die Worte für Fuß, Sitz, Platz, Steh, Hier zum ersten Mal hörte, tat er es mit unglaublicher Freude und Begeisterung. Wir lachen zusammen, wir hampeln zusammen, wir schauen uns in die Augen.
Es gibt so viele Nasenarbeiten, die man machen kann, ohne ein Kommando zu brauchen. Mein junger MBH macht ZOS wie ein Großer, und findet einen Brillantring (Werbegeschenk von Yves Rocher) in einem großen Raum. Dabei bricht er sämtliche "Tabus", klettert über Möbel und Hindernisse hinweg, um sein Ziel zu orten. Aber ich würde niemals mehr den Fehler machen, das Ding 20x hintereinander zu verstecken.
Was das klassiche Hundetraining z.B. in Gruppen angeht, so bin ich da noch in der Findungsphase. Mein MBH hilft mir dabei sehr gut. Ich lasse die Gruppenstunden inzwischen viel langsamer angehen, Freispiel... vermeide ich, die Teams bekommen immer erst mal Zeit, mit ihrem Hund den Ort, an dem wir arbeiten, gemeinsam zu begutachten, bevor irgendeinen Aufgabe gestellt wird. Sowohl mein verstorbener vermutlicher NLH als auch mein MBH brauchen Zeit, um sich irgendwo auf mich oder eine Aufgabe einlassen zu können, in dem sie an dem Ort erst einmal "ankommen" können. Nach RS wohl gemeinsames Bewerten genannt.
Individualdistanzen sind mir in der Regel sehr wichtig. Gebetsmühlenartig erkläre ich, wann diese unterschritten werden, und woran ich das gesehen habe bzw. man es sehen kann.
Es ist nicht einfach, wenn man aus einer klassischen Hundeschule kommt, zu lernen, seinem Hund zuzuhören. Aber es geht. Schritt für Schritt. Ich glaube, dass ich mit meiner Arbeit sowohl mit meinem Hund als auch mit meinen Kunden und Gruppen schon sehr lange weit weg von der klassichen Hundeschularbeit bin, ohne dass ich von RS etwas wusste.
Mag mich aber auch täuschen.
So weit erst mal bis hierher. Bin gespannt auf das Feedback der alten Hasen.
LG Anja
Coffie MBH *6/2012