Ich sitze hier und bin ein wenig erstaunt über diese Debatte, denn eigentlich verstehe ich überhaupt nicht, worum es letzlich geht. Um Hunde? Irgendwie ja nicht wirklich. Um Geld? Darum geht es überall, das kommt mir relativ normal vor. KANN man im Zusammenhang mit Hunden schon drauf kommen, das es um Geld geht (dazu ein Buchtip: "Das Tier und wir" von Christina Hucklenbroich, erschienen bei Blessing 2014, da sind ganz erschreckende Zahlen zu lesen - was wir für Geld ausgeben für das liebe Tier, und wofür).
Was mich eigentlich wundert, ist die Herangehensweise von manchen "unvoreingenommenen, neugierigen "Neuusern" an das Thema RS.
Man kann da ja auf verschiedene Arten herangehen, an ein solches Thema. EINE Variante ist, bei Wikipedia nachzulesen, die Seite "Rudelstellungen- klargestellt im Internet zu studieren und dann mit dieser Brille der Voreingenommenheit an Menschen, die ANDERS an das Thema herangehen, Fragen zu stellen. Aber WOZU diese Fragen, wenn doch von vorneherein klar ist, dass meine Meinung feststeht. DANN sollten die anderen Internetseiten ausreichen, um die Fragen zu beantworten.
Man KANN aber theoretisch auch einfach neugierig sein, offen, etwas Neues, anderes kennen zu lernen. Dann legt man mal seine Brille kurz ab und versucht, ganz unvoreingenommen sich in das Thema einzulesen. Stoff ist ja eine Menge da. Und wenn man dann entscheidet: ja, das interessiert mich, kann man Fragen zur SACHE stellen, die auch (hoffentlich) beantwortet werden können. (Die Fragen zum GELD können dann später vielleicht auch vorkommen, aber sie sind eigentlich nicht vorrangig hier, weil es ja um HUNDE geht - ansonsten siehe Buchtipp oben).
Ich bin von einer GANZ komischen Seite her auf das Thema RS gestossen, nämlich über meinen HUND. Das ist ein Hund, der ganz viele Fragen aufwirft. Und ich habe so ziemlich alles, was es an Literatur gibt, gelesen. Dumm nur, dass nichts davon zu so ganz zu meinem Hund passte. Ein sehr interessantes, eigenwilliges Tier sozusagen. Wohlgemerkt, ich habe seine Eigenartigkeit nie als Problem empfunden, sondern fand sie einfach erheiternd!)
Ich habe auf einer Weiterbildung ziemlich viele Forscher und Wissenschaftler kennen gelernt, die dort als Dozenten auftraten. Das war alles hoch interessant, hat mir viel Stoff zum Denken gegeben. Habe auch gleich eine Menge ausprobiert, von dem was da vorgeschlagen wurde, wie man mit "dem Hund" umgehen soll damit dies und das erreicht wird. Und dann habe ich mich gefragt: WILL ich das überhaupt erreichen? Und zu welchem Preis für meinen Hund? MUSS ich das haben?
Und was von all diesen klugen, fundierten, wissenschaftlichen Aussagen ist denn jetzt tatsächlich "wissenschaftlich bewiesen" ? Was IST das überhaupt: Wissenschaftlich bewiesen?
Forschung stützt sich in der Regel auf Beobachtungen. Und Beschreibung. Dann wird das Beobachtete und Beschriebene ausgewertet. Das gibt dann eine ARBETISHYOPTHESE, auf der man die weitere Vorgehensweise aufbaut, die man als "Brille" benutzt, um weiter zu beobachten und dann zu verifizieren. Zum Teil über Einzelfallbeschreibung als verifizierende Methode, zum Teil in groß angelegten Projekten, wo möglichst viele Individuen unter möglichst gleiche Bedingungen beobachtet werden.
Aber es kommt ja immer auf die Arbeitshypothese an, unter deren Gesichtspunkten man versucht, etwas zu verifizieren.
Professor Kurz Kotrschal, der eine Professur am Department Verhaltensbiologie der Fakultät fr Lebenswissenschaften an der Universität Wien innehat und Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle ist, sowie Mitbegründer des Wolfsforschungszentrums, den ich kennen lernen durfte, ein sehr kluger Mann, der eben SEINE Arbeitshypothesen zu Wölfen und Hunden hat (und sich sehr getäuscht hat in der Prognose der Entwicklung meines Hundes ...), schreibt in seiem Buch "Wolf, Hund, Mensch" (erschienen 2012 im Verlag Christian Brandstätter, Wien) ziemlich am Anfang (S. 8 und 9):
Wenn man über Wölfe und Hunde spricht und schreibt, kann man versuchen, sich ausschließlich auf so genanntes "gesichertes Wissen", also die neueren Erkenntnisse der Wissenschaft zu beziehen und wird auf diese Weise ein recht lückenhaftes Bild zeichnen. Oder man traut sich, auch Szenarien zu entwerfen, die auf einer Mischung aus gesichertem Wissen, Erfahrung, Anekdoten und über Jahrzente entwickeltem Bauchgefühl beruhen - das natürlich auch falsch sein kann. Letzlich ist dieses Buch ein Versuch, Wölfe, Hunde und ihre wechselseitige Beziehung zu den Menschen zu beleuchten. Wölfe und unsere Wolfs- und Hundebeziehungen wirklich "verstehen" und vollständig erklären zu wollen wäre ein vermessener Anspruch." (Hervorhebungen von mir).
Und auf diese Weise KANN man RS als eine Arbeitshypothese verstehen, die eben einen ANDEREN Blickwinkel einnimmt, eine andere Brille benutzt als z.B. Möglichkeiten der Konditionierung, damit das Zusammenleben zwischen Mensch und Hund für den MENSCHEN einfacher wird.
Eine vielleicht gewöhnungsbedüftige Brille. Für mich war sie schlicht ein AHA-Erlebnis. Denn das doch sehr eigenwillige Verhalten meines Hundes im Hinblick auf die Forschungsergebnisse, die mir bis dahin bekannt waren, fand auf einmal, vor dem Hintergrund von RS eine Erklärung. Seine Wahrnehmungsfähigkeit, seine "Marotten", sein Spezialistentum.
Mit dieser "neuen Arbeitshypothese" RS habe ich mich auf den Weg gemacht, das Ergebnis ist in vieler Hinsicht sehr überzeugend. Viel überzeugender als alles, was ich bis dato versucht hatte, und von dem ich ständig leichte Bauchschmerzen bekam, weil ich meinte wahrzunehmen, dass es meinem Hund nicht gut tut.
DAS war MEIN Weg. Jeder muss aber seinen eigenen gehen. Denn jeder hat eigene Wahrnehmungen, Brillen, Glaubendssätze. Und das ist auch gut so. Aber als erwachsener Mensch kann ich mir AUCH andere Forschung, andere Meinungen anschauen, ohne mich an Vorurteilen festzuklammern und mich wie ein trotziges Kind immer im Kreis zu drehen, weil ich von Menschen, die eine ganz andere Wahrnehmung haben als ich (was z.B. die Finanzen angeht und das leidige Thema "Hundetausch", um nur die Wichtigsten zu nennen) zu erwarten, dass sie MEINE MEINUNG bestätigen. Das können sie nämlich nicht, weil sie eine ANDERE Brille tragen, anders schauen, anders bewerten. Und dann passiert das, was hier gerade so eindrücklich abläuft: ein Kreisel. Der nie zu Ende geht. Und der zumindest mir, wenn ich es zulassen würde, wirklich viel Energie rauben würde, die ich lieber auf "Forschung" anwende. In diesem Fall ein gemütliches Miteinander mit meinem hervorragend eigentümlich-eigensinnigen Hund, dessen Beobachtung und dessen Marotten, die die "Wissenschaft" nicht erklären kann, mich immer wieder erfreuen und erheitern.
In diesem Sinne: einen gemütlichen Sonntag!
Liebe Grüße, Ulrike
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